Werbung für die „Arbeitgebermarke Bundeswehr“ (Eigenbezeichnung) ist strikt abzulehnen. Das angemessene Mittel, um junge Menschen über das Berufsbild von Soldat*innen zu informieren, sind Aufklärung, Reflexion und Diskussionen an Schulen unter Leitung von vorbereitetem Lehrpersonal.
Um neue Rekrut*innen zu gewinnen, setzt die Bundeswehr sowohl Kommunikationsmittel als auch einen Kommunikationsstil ein, der dazu geeignet ist, junge Menschen zu adressieren. Zu den Kommunikationsmitteln gehört insbesondere die verstärkte Internetwerbung in Gestalt von Chat-Bots („MALIBOT“) für den Facebook-Messenger und Webserien wie „Die Rekruten“ (2016) oder „MALI“ (2017), die über Youtube vertrieben werden. Der Stil der Werbung appelliert an den Abenteuerdrang und, wie sich insbesondere in der aktuellen Kampagne für den MINUSMA-Einsatz in Mali zeigt, das typische Fernweh junger Menschen. Die Plakate, die sich an den Haltestellen des ÖPNV finden oder im Fahrgastfernsehen zu sehen sind, ähneln der Werbung für neue Computer-Spiele, konkret Shooter. Man könnte ohne große Phantasie die Werbemotive der Mali-Kampagne für eine Erweiterung der Action Shooter Reihe Battlefield halten: Drei Soldat*innen in Kampfmontur blicken fest und entschlossen die Zuschauer*innen an, umspielt vom rätselhaften Wüstensand. Auch die Webserien erinnern an bekannte Unterhaltungsformate, indem sie durch Aufnahmen aus dem angeblichen Alltag der Soldat*innen bzw. der Rekrut*innen und das Erzeugen einer emotionalen Verbindung zu diesen Protagonist*innen den Stil einer Doku-Soap imitieren. Dass die Webserien der Bundeswehr gängige TV-Formate nachahmen, zeigt sich auch in der Tatsache, dass sich RTL II die Rechte an „Die Rekruten“ sicherte.
Ziel der Werbekampagne ist offenkundig, das Image der Bundeswehr in den Augen junger Menschen zu verbessern. Die Mittel, die zu diesem Zweck eingesetzt werden, sind deutlich abzulehnen, denn sie werden der besonderen Verantwortung, die der Beruf als Soldat*in mit sich bringt, und auch den brisanten Fragen nach Auslandseinsätzen der Bundeswehr nicht gerecht.
Soldat*innen sind einer außergewöhnlich strengen Hierarchie ausgesetzt und werden dazu ausgebildet, gehorsam zu sein. Gehorsam ist, wie die deutsche Geschichte zeigt, immer eine potentielle Gefahr für eine freie Gesellschaft und die Demokratie. Deshalb benötigen Soldat*innen ein ganz besonderes Maß an Aufklärung und an Reflexionsvermögen, um in der Lage zu sein, die Grenzen des Gehorsams zu erkennen und bei Bedarf aus ihrer Rolle als „Dienende“ ausbrechen zu können. Wenn die Werbekampagne der Bundeswehr aber nicht Menschen mit Reflexionsvermögen, sondern besonders abenteuerlustige Menschen anspricht, wenn sie es zu einem Unterhaltungsevent macht, dass ein junger Rekrut in „Die Rekruten“ eine mit Tape-markierte Linie im Flur nicht überschreiten darf, weil das eben ein Befehl ist, dann entzieht sich die Bundeswehr ihrer Verantwortung.
Soldat*innen tragen auch deshalb eine besondere Verantwortung, weil sie ausgebildet sind, im Bedarfsfall tödliche Gewalt anzuwenden. Der Fall Franco A. und die damit einhergehenden Terrorermittlungen zeigen, dass die Kombination aus Rassismus, Militärtradition und Zugang und Umgang mit Waffen ein ernstzunehmendes Risiko für die Sicherheit vieler Menschen bedeutet. Die Bundeswehr stellt sich in ihrer Werbekampagne jedoch wie ein realgewordenes Computerspiel dar und lockt damit vor allem Menschen, die ihren Spaß an virtuellen Schießereien auf die Wirklichkeit übertragen können. Damit lädt man zur Verherrlichung von Gewalt ein und schafft möglicherweise langfristig eine Mentalität, die den verantwortungsvollen Umgang mit der Macht, Waffengewalt einsetzen zu können, unterminiert.
Nicht zuletzt stellen Einsätze der Bundeswehr im Ausland wie beispielsweise im Rahmen der UN-Friedensmission „MINUSMA“ sehr kontroverse politische Streitfragen dar. Sowohl für die eingesetzten Soldat*innen bestehen Risiken (wie der Absturz des Kampfhubschraubers Tiger am 26. Juli 2017 zeigte) wie auch für die Bevölkerungen der Einsatzländer. Ein so vielschichtiges, komplexes und ernsthaftes Thema wie Auslandseinsätze sollte nicht zum Gegenstand einer Imageverbesserung und einer sich adoleszent gebenden Werbekampagne werden. Es handelt sich dabei nicht um Abenteuercamps für energiegeladene junge Menschen, sondern um Extremsituationen in Krisengebieten, die eine enorme Belastbarkeit, eine hohe Opferbereitschaft und eine große interkulturelle Sensibilität erfordern, um verantwortungsvoll wahrgenommen zu werden.
Aus all diesen Gründen sollte die Unterbezirkskonferenz der Jusos Region Hannover durch Annahme dieses Antrags zum Ausdrucken bringen, dass sie die beschriebene Art der Bundeswehrwerbung deutlich ablehnt. Die Bundeswehr ist kein „normaler Arbeitgeber“ und trägt eine außergewöhnliche Verantwortung, seine Rekrut*innen zu Reflexion und Verantwortungsgefühl anzuregen, ja, solche Eigenschaften gar zum Einstellungskriterium zu erheben. Durch die beschriebene Werbung werden genau gegenteilige Eigenschaften adressiert und eine gefährliche Mentalität, im schlimmsten Fall eine unreflektierte Militarisierung der Jugend gefördert.
Änderungsanträge
Status | Kürzel | Zeile | AntragstellerInnen | Text | |
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F4_Ä1 | 1 | Berlin |
Z. 1-3 |
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F4_Ä2 | 3 | Berlin |
Z. 3 |